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Man nehme eine gnadenlos kritische und provozierende Weltanschauung und verwandle sie in gut getarntes Unterhaltungskino zwischen Witz und Tragödie. Nichts für Houellebecq-Fanatiker.

Michel HouellebecqMan kennt ihn. Auch all jene, die mit Literatur nur wenig am Hut haben. So wie meine Wenigkeit. Spätestens nach den Unmengen an Artikeln zu "Die Möglichkeit einer Insel", dem im August 2005 erschienenen letzten Buch von ihm, war es eigentlich unmöglich seinen Namen noch nie zu Ohren bekommen zu haben. Die Rede ist von Michel Houellebecq, gleichermaßen Star- und Skandal-Autor, der in seiner Heimat Frankreich als der meistgelesene Schriftsteller seiner Generation gilt. Ein Mann, der gnadenlos und provokant vom Verfall der westlichen Konsumgesellschaft schreibt. Soetwas interessiert. Man will ja auch mitreden können. Und so habe selbst ich - Lesemuffel in Person, stets bemüht keine Zeit damit vergeuden zu müssen - eines von Houellebecqs Büchern durchgeackert. Zumindestens habe ich es versucht. Nur war ich von "Ausweitung der Kampfzone" (1994) dermaßen wenig angetan, dass ich es nicht bis zum Ende geschafft habe. Wahrscheinlich fehlte es mir einfach an der nötigen Ausdauer. Wie so oft beim Verzehr von nicht ganz so einfacher Lektüre. Kurz: Ich bin alles andere als Houellebecq-Experte. Will ich auch gar nicht sein. Der Mann übt auf mich nur ein geringes Maß an Faszination aus. Trotzdem war da ein gewisser Reiz, als ich davon erfuhr, dass mit "Elementarteilchen" (1998) sein angeblich wichtigstes Werk verfilmt wurde. Soetwas bringt mich ja dann doch wieder in Versuchung. Und so suchte ich nach dem einfachsten Weg einigermaßen vorbereitet ins Kino marschieren zu können. Möglich gemacht durch ein Hörbuch. Noch dazu mit der Stimme von Blixa Bargeld. "Elementarteilchen" war in Sachen Audio-Book mein Debut. Nun ja, als kleiner Junge besaß ich - und besitze es voller Stolz heute noch - eine Schallplatte von "Peter Pan". Die Disney-Version. Mit Aufklapp-Cover und Comic-Beilage. Aber soetwas gilt natürlich nicht. Was ist schon ein Kindermärchen gegen "anspruchsvolle" Literatur.

"Elementarteilchen" erzählt die Geschichte von zwei Brüdern, eigentlich Halbbrüdern, weil sie zwar dieselbe Mutter aber verschiedene Väter haben. Michel und Bruno sind vollkommen verschieden. Der Eine verkopfter Wissenschaftler, der Andere sexsüchtiger Lehrer. Was sie verbindet, ist der gemeinsame Hass auf ihre Mutter, soetwas wie eine Mischung aus Hippie- und Rabenmutter, die ihre Söhne einfach links liegen lässt. Und so sind die Beiden - jeder auf seine Weise - auf der verzweifelten Suche nach Liebe. Schicksalschläge miteingeschlossen. Parallel erzählt "Elementarteilchen" aber auch von der revolutionären Entdeckung des Molekularbiologen Michel: Die Reproduktion von Lebewesen ohne sexuellen Kontakt. Typisch für Houellebecq und seine pessimistische Sicht auf die Welt. Ist es doch ohnehin "eine seltsame Idee sich fortzupflanzen, wenn man das Leben nicht liebt".

Moritz Bleibtreu (Bruno) - Christian Ulmen (Michel)Soetwas zu verfilmen kann man durchaus als gewagtes Unterfangen bezeichnen. Gelten Houellebecq-Romane doch weitgehend als unverfilmbar. Oskar Roehler hat es trotzdem versucht. Schräg und unberechenbar waren die bisherigen Filme des deutschen Regisseurs. Genauso einen braucht man um einen einst heftig diskutierten Skandalroman auf die Leinwand zu bringen. Was scheinbar dann doch nicht so einfach war. Entfernt sich der Film doch relativ weit von der Vorlage. Aus der gnadenlosen Gesellschaftskritik wurde eine tragikomische Männergeschichte, die noch dazu gar nicht mal in Frankreich sondern in Deutschland handelt. Auch das Pornografische hat man im Vergleich zum Buch nur angeschnitten. Durchaus verständlich, wäre diese Ausführlichkeit auf Spielfilmlänge für das Publikum dann wohl doch zu qualvoll ausgefallen. Nichtsdestotrotz wirkt das Ergebnis abgeschwächt, weit entfernt von dem Schlag ins Gesicht, wie ihn die Romanvorlage versetzen kann. So ist es vielmehr die hervorragende Schauspielerriege, die den Streifen trägt. An der Spitze die beiden Hauptdarsteller. Ein ungewohnt wortkarger Christian Ulmen. Und ein alles an die Wand spielender Moritz Bleibtreu, der vollkommen zu Recht dafür bei der Berlinale ausgezeichnet wurde. Abgesehen davon ist "Elementarteilchen" jedoch eine zweiseitige Angelegenheit. Je nachdem ob man nun die Romanvorlage kennt oder nicht. Ist Ersteres der Fall, dann hat man den zweifelhaften Vorteil sich einiges dazureimen zu können. Bei Zweiterem muss einem der Film jedoch wie ein Sammelsurium von Vielem allerdings bei weitem nicht Allem vorkommen. Irgendwie unfertig, willkürlich zusammengesetzt. So bleiben 100 Minuten Film mit vielen tollen Momenten, mal irrsinnig witzig, dann wieder zu Tode betrübt, die den Zuschauer allerdings allzu oft mit verwirrender Zusammenhanglosigkeit konfrontieren. Wer da nicht den Faden verliert, der hat entweder sehr viel Fantasie oder kennt eben das Buch. Über solche Mängel kann man schon mal hinwegsehen, muss man aber nicht.

ElementarteilchenElementarteilchen
Regie: Oskar Roehler.
Mit Moritz Bleibtreu, Christian Ulmen, Franka Potente.
24.02.2006


[elementarteilchen.film.de]

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