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Ein Live-Auftritt von Xiu Xiu ist direkt. Da wird auf der Bühne alles offengelegt. Intimer geht es gar nicht mehr. Dem Konzertbesucher bleibt nur noch das Staunen. Voyeurismus pur.

Caralee McElroy - Jamie StewartVersäumt (April 2004: Chelsea, Wien) und nochmals versäumt (April 2005: Donaufestival, Krems). Beim dritten Anlauf hat es nun endlich geklappt. Was gierte ich danach, endlich Zeuge eines dieser sagenumwobenen Konzerte von Xiu Xiu - für mich eine der musikalischen Entdeckungen der letzten Jahre - sein zu können. Nur gut, dass Jamie Stewart immer wieder mal einen Abstecher ins heimische Chelsea einzuplanen scheint. Kein Wunder, hat der Mann mit seiner äußerst eigenwilligen Musik in der Lokalität am Lerchenfeldergürtel unter den U-Bahn-Bögen doch zweifelsohne ein Stammpublikum gefunden. Das sich noch dazu mit jedem Gastspiel um weitere Interessierte vergrößert. Was inzwischen soweit geht, dass man an jenem lauen Vorsommer-Abend die bescheidenen Räumlichkeiten des Chelsea als durchaus brechend voll bezeichnen konnte. Mitten drinnen sogar ein ORF-Team, das gut Dreiviertel des Live-Sets für einen Beitrag mitfilmte. Alles natürlich im Beisein der gewohnt wichtigtuerischen Art dieser Herrschaften.

Wie man die Musik von Xiu Xiu einem Unwissenden beschreiben kann? Nun ja, alles andere als ein leichtes Unterfangen. Ich versuche es mal folgendermaßen: Eine Sammlung verzweifelter, zärtlicher und zutiefst melancholischer Kleinoden. Meist schmerzhaft autobiografisch. Stets geprägt von einer immensen Intensität. Was man auch auf den geschickt inszenierten Wechsel zwischen Introvertiertheit und Ausbruch zurückführen kann. Passend dazu die extrem offensiven Texte. Stilistisch verweigert sich Jamie Stewarts Schaffen jeglicher Einordnung. Lo-Fi, Post-Punk, Industrial, Avantgarde. Alles ist möglich. Das aktuelle Album "La Foret" - Nachfolger des grandiosen "Fabulous Muscles" - beweist dies eindrucksvoll. Kein Studiowerk, das nicht vom Drang nach konsequenter Weiterentwicklung gekennzeichnet ist. Das für September dieses Jahres angekündigte "The Air Force" wird da keine Ausnahme machen. Auch wenn es überzogen sein mag zu behaupten, dass irgendeine Band heutzutage noch originell und eigenständig klingt: Xiu Xiu kommen diesem Maßstab sehr nahe.

Im Rahmen der Live-Konzerte verwandeln Xiu Xiu ihre Songs aufgrund der Zwei-Mann/Frau-Besetzung - neben Stewart noch dessen angebliche Cousine Caralee McElroy - zu komplett neuem Liedgut. Umgeben von einem durchwegs rauen Live-Charme wirken die Stücke schrammeliger und meistens noch verstörter als auf Platte. Da ist es auch keine Ausnahme, wenn ein Song am Höhepunkt mit einer Lärmorgie zerstört wird, wobei die Protagonisten auf der Bühne auf das reichhaltige Sortiment unterschiedlichster - für Laien doch eher merkwürdig wirkender - Instrumente eindreschen, bis der Soundpegel beim zumeist abrupten Abschluss mit einem Schlag auf Null sinkt. Soetwas schaffte an diesem Abend sogar ein erprobtes Publikum zu überraschen, wodurch der Applaus oftmals erst Sekunden nach der Beendigung des Songs einsetzte. Dafür aber dann umso frenetischer. Dass Xiu Xiu nicht bloß lärmen können, bewiesen sie bei den wenigen - dafür aber umso eindringlicheren - ruhigen Stücken. Beispielsweise bei "Fabulous Muscles", wo Stewarts stimmliche Gratwanderung zwischen Singen, Hauchen und Schreien einzig von der Akustikgitarre begleitet wurde. Oder beim abschließenden "Sad Pony Guerrilla Girl". Von Jamie Stewart aus vermeintlich weiblicher Perspektive dargebracht und einzig im Live-Kontext mit dem Gesang von Caralee McElroy ausklingend: "I like my neighborhood. I like my gun. Driving my little car. I am your girl and I will protect you." Danach war Schluss. Jamie Stewart begann in aller Ruhe das Instrumentarium abzubauen. Zu einer Zugaben war er nicht mehr zu bewegen. Nicht weiter schlimm. Jeder weitere Song hätte nach dieser finalen Wucht an Gefühlen doch nur gestört.

[Interview: Xiu Xiu]

Xiu Xiu / Young People
14.05.2006 - Wien, Chelsea.


[xiuxiu.org]
[ilikeyoungpeople.com]

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