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Ein Jahr nach ihrem Support-Gig für Nine Inch Nails kehrten die Dresden Dolls in die Wiener Arena zurück. Um uns in ihre ganz eigene Wunderwelt der Popmusik zu entführen. Unterhaltung pur.

Die Dresden Dolls haben es geschafft. Das seltsam-skurrile Duo aus Boston wird mir für alle Ewigkeit in Erinnerung bleiben. Grund dafür ist nicht - wie man eigentlich annehmen müsste - eine ihrer Platten oder Konzerte. Alles hervorragend, keine Frage. Wirklich überrascht haben mich die Beiden mit etwas Anderem. Was auch noch gar nicht so lange her ist. Gerade mal gut ein Monat. Da zierten Amanda Palmer und Brian Viglione nämlich das Cover der Spex. Und ließen für die Titelstory sämtliche Hüllen fallen. Was mich dann doch etwas verblüffte. Damit hatte ich nicht gerechnet. Mir ist auch nichts Vergleichbares in der Sparte Rock/Pop bekannt. Mal abgesehen von der Sockengeschichte der jungen Red Hot Chili Peppers oder dem nackig auf der Bühne herumhüpfenden Nick Oliveri. Keine Frage: Die Dresden Dolls wissen, wie man sich ins Gerede bringt. Die Sache mit der Provokation haben die Beiden zweifelsohne drauf. Zumindestens hinterließen diese Handvoll Nacktfotos bei meinem scheinbar doch etwas schlichten Gemüt einen bleibenden Eindruck. Vorwiegend mit Hauptaugenmerk auf das andere Geschlecht. Folglich kann ich es mir seitdem nur schwer verkneifen, bei jeglicher Konfrontation mit Miss Palmer - sei es nun im Internet, in Musikmagazinen oder bei Videoclips - an ihre unrasierten Achseln und Beine zu denken. Fetisch oder Anwiderung? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Ich belasse es mal bei der durchaus auf den Punkt gebrachten Bemerkung eines Freundes: "Rassig, die Alte."

Amanda Palmer - Brian ViglioneSchlimm, ich weiß. Nur gut, dass ich beim Auftritt der Dresden Dolls in der restlos ausverkauften Arena dann doch von meinen merkwürdigen Gedankenspielchen verschont blieb. Zugegeben: Einige wenige Momente gab es da schon. Ansonsten war die mitreißende Darbietung dieses wunderlichen Pärchens allerdings zu dominant. Denn die Dresden Dolls wissen nicht nur zu provozieren. Sie wissen auch wie man mit durchaus einfachen Mitteln von Beginn an das Publikum auf seine Seite zieht. Und sei es auch nur, dass man beim Betreten der Bühne gleich mal Blumen in die Menge wirft. Oder das Set mit einer Nummer eröffnet, die man so nicht erwartet hätte: "Will You Smile Again" von ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead. Ein Cover, das sein ohnehin bereits geniales Vorbild noch übertreffen sollte. Was an diesem Abend übrigens nicht der einzige Song war, dem die Dresden Dolls mit ihrer eigenwilligen Interpretation erfolgreich neues Leben einhauchten. Da mutierte Grauzones "Eisbär" vom NDW-Klassiker zum eindringlichen Rocker. Da rief man mit einer dezenten Akustik-Version von "Two-Headed Boy" die großartigen Neutral Milk Hotel in Erinnerung. Und da ließ man mit einer wahrlich abenteuerlichen Fassung von "War Pigs" abschließend auch noch Black Sabbath hochleben. Alles natürlich mit dem für die Dresden Dolls typischen Punk-Kabarett-Einschlag. Wenn auch merklich weniger theatralisch und dramatisch als auf Platte. Dafür aber druckvoller und mit wesentlich mehr Elan. Vielleicht sogar intensiver.

Es ist wirklich eine Freude die Dresden Dolls bei ihrer Bühnenarbeit zu beobachten. Auf der einen Seite das Luder. Die Punkerin. Amanda Palmer wusste mehr als nur zu überzeugen. Vor allem mit ihrer Sangesleistung. Natürlich auch mit ihrem Geklimper. Nicht zu vergessen ihre wilde Gestik und Mimik, wo man im Publikum abwechselnd mit schmachtenden und zornigen Blicken konfrontiert wurde. Auf der anderen Seite der Stichwortgeber. Der Pausenclown. Aufgrund seiner pantomimischen Zwischeneinlagen auch der Publikumsliebling. Gleichzeitig überzeugte Brian Viglione als phänomenaler Drummer. Es war schon bemerkenswert, mit welcher Energie der Mann auf sein Schlagzeug eindrosch. Ohne dabei aber auch nur einen Moment den Kontakt zu seiner Bühnenpartnerin zu verlieren. Zwischen Palmer und Viglione herrschte blindes Verständnis. Eine unüberseh- und -hörbar eingespielte Einheit. Da wurde mit fast schon traumwandlerischer Sicherheit aufeinander eingegangen. Man belauerte sich geradezu, pushte sich gegenseitig hoch. An diesem Abend in der Arena wurde nicht einfach nur ein Programm heruntergespult. Nein, da wurde auch das ein oder andere Mal über die Stränge geschlagen. Vor allem wurde lautstark gerockt. Vielmehr als man bei der Kombination Stimme-Keyboard-Schlagzeug - als Alternative zu Letzterem bei den Zugaben auch mal die Akustikklampfe - erwarten konnte. Nix da "Dreigroschenoper". Kurt Weill hat gerockt. Und zwar gewaltig.

Dresden Dolls / Thomas Truax
31.05.2006 - Wien, Arena.


[dresdendolls.com]
[thomastruax.com]

[Review: Dresden Dolls - Yes Virginia]

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