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20 Jahre danach: Ich befinde mich auf einem Ärzte-Konzert. Na ja, fast. Farin Urlaub war in Wien zu Gast. Sachen gibt's, die glaubt man nur, wenn man auch wirklich dabei war.

Farin UrlaubEigentlich hätte ich bei Bobby Conn sein sollen. Nur kam dem Bobbele mit seinen Glass Gypsies an diesem Abend ein anderer zuvor. Einer, den man hier womöglich gar nicht vermutet hätte. Na ja, was kann man tun, wenn mit einem der Drang nach Nostalgie durchgeht? Irgendwann mitte der Achtziger gab es mal eine Zeit, da waren sie die Größten für mich, Die Ärzte aus Berlin. Damals in meinen ersten Teenagerjahren. Erinnert sich noch jemand an die "Ab 18"-Platte? Obszönitäten, Schwachsinn, Zensur. Kurz: Ein Wahnsinnsteil. Hin und wieder muss es schon mal gestattet sein, dass man sich nach den guten, alten Zeiten zurücksehnt. Inklusive aller Peinlichkeiten. Und so ging es an diesem Samstag Abend nicht in die Szene Wien sondern in Richtung Arena, zu einem Open Air-Konzert von niemand geringeren als Ober-Arzt Farin Urlaub. Wohlbemerkt: Ich hatte die Karten schon, als mir das Gastspiel von Bobby Conn bekannt wurde. Sonst hätte natürlich er den Vorzug erhalten.

Jan Vetter ohne Dirk Felsenheimer? Unmöglich. Oder?

Es war allerdings nur ein halbherziger Schritt in die Vergangenheit, weil Farin Urlaub bei seinen Solo-Konzerten gar kein Material von seiner Hauptband spielt. Zwar kann man sowohl "Endlich Urlaub" als auch "Am Ende der Sonne" durchwegs als gelungen bezeichnen, ein mulmiges Gefühl war trotzdem dabei. Erstens, weil ich nicht so recht wusste, was mich an diesem Abend erwarten würde. Farin Urlaub ohne seinen Neben-Doktor und Witze-Partner Bela B: Kann soetwas gut gehen? Und zweitens, weil ich noch nie zuvor erlebte, dass die auf dem Ticket stehende mit der tatsächlichen Beginnzeit eines Konzertes übereinstimmt. Nicht weiter schlimm, wäre ich beim lautstark ertönenden Show-Intro nicht noch mitten in der üblich langen Schlange vor dem Eingang zur Arena gestanden. Was hatte diese Überpünktlichkeit zu bedeuten? Womöglich einen Kinderabend, wo alle wieder rechtzeitig im Bett sein müssen? Mir graute schlimmes.

Gleich vorweg: Meine Sorgen waren unbegründet. Auch ein Farin Urlaub auf Solopfaden hat eine ausreichend große Klappe um 2.500 Leute in der ausverkauften Arena mit den üblichen Mätzchen unterhalten zu können. Und aller Befürchtungen zum trotz war ich an diesem Abend auch nicht der einzige Konzertbesucher, der bereits die 30 Jahre-Grenze überschritten hatte. Noch dazu zeigte Farin Urlaub auf der Bühne, dass er inzwischen zu weit mehr fähig ist, als einfach nur den spaßigen Punk heraushängen zu lassen. Wie schon auf Platte bewies er auch im Live-Kontext musikalische Vielfalt. Vom schwungvollen Ska über fetten Rock und zweideutige Liebeslieder war alles vertreten. Hervorragend interpretiert vom Racing Team, einer Frauenband inklusive Background-Sängerinnen und einer männlichen Bläser-Sektion. Letztere war auch dringend notwendig, denn nur wenige Songs kamen ohne Trompeten und Saxofon aus. Es würde mich jedenfalls nicht überraschen, wenn der gute Farin eine gewisse Schwäche für The Specials und Madness hätte.

Spring, Champagnergesellschaft. Spring!

Was natürlich nicht fehlen durfte, waren die obligatorischen Intermezzos. Farins ironische Texte kennt und mag man. Die Quintessenz bei seinen Konzerten sind jedoch die Momente zwischen den Songs. Nur soviel: Der Meister war gut drauf. Ganz in seinem Element, bekamen sie alle ihr Fett weg. Wobei es auch an der nötigen Selbstironie nicht fehlte. Besonders angetan hatten es ihm diesmal die Zuschauer auf dem Balkon rechts neben der Bühne. Die "Champagnergesellschaft" war ihm eindeutig zu ruhig und wurden dann auch mit Nachdruck zum Mitmachen angehalten. Mittels charmanter Verarsche. Eine Kunst, die kaum jemand besser beherrscht.

Mehr als zwei Stunden sollte Farin Urlaub an diesem Abend auf der Bühne der Arena verbringen. Kaum ein Song der beiden Alben wurde dabei ausgelassen. Dazu kamen noch B-Seiten, ein Download-Only und eine eigens für das Live-Programm komponierte Mithüpf-Nummer. Mit der aussagekräftigen Textzeile "Bei zehn sollt ihr springen". Oder so ähnlich. Auf jeden Fall sprangen sie. Fast alle. Das funktionierte so gut, dass man den Song am Ende des Sets noch ein zweites Mal zum besten gab. Unglaublich aber wahr: Zu guter Letzt sprangen sogar die vom Balkon mit.

Farin Urlaub
28.05.2005 - Wien, Arena (Open Air).


[farin-urlaub.de]

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